Gryszinski 03 - Der treue Spion by Seeburg Uta

Gryszinski 03 - Der treue Spion by Seeburg Uta

Autor:Seeburg, Uta [Seeburg, Uta]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783749905546
Herausgeber: HarperCollins eBook
veröffentlicht: 2023-04-25T00:00:00+00:00


27.

Paris, 1916

Die verbotenen Nachtwanderungen durch die leeren Straßen von Paris werden zur Sucht. Wie ein braver Sohn kehrt Fritz zunächst immer vor Sonnenuntergang ins Hotel zurück. Seitdem er darauf achtet, hat er seine mütterliche Vermieterin schon mehrmals dabei ertappt, wie sie ganz offensichtlich sein Kommen und Gehen genauestens in ihrem Büchlein dokumentiert. Doch er spricht sie niemals darauf an. Er geht davon aus, dass sie den Auftrag hat, zu überprüfen, ob er sich auch wie ein guter Soldat an die herrschenden Regeln hält. Wahrscheinlich weiß sie gar nicht, für wen sie arbeitet. Und dass man ihn schon mit seiner Mission betrauen wird, wenn er sich nur lang genug unauffällig verhält. Also wartet er ab, bis es Nacht ist, bevor er sich wieder hinausschleicht.

Immer selbstverständlicher bewegt sich Fritz durch die Straßen, die als schwarze Korridore vor ihm liegen und oft so dunkel sind, dass er sich an den Häuserfronten entlangtasten muss. Manchmal heulen Sirenen durch die leeren Gebäudeschluchten. Dann folgen die Rufe der Hausbewohner, die in die Kellerräume hasten. Danach das zuckende Licht explodierender Brandbomben, sie fallen aus den Bäuchen der deutschen Zeppeline. Von ihrer Last befreit, gleiten die Luftschiffe zurück in die undurchdringlichen Höhen, aus denen sie kamen. Die Wolkendecke schließt sich hinter ihnen wie ein eilig geflickter Riss durch die Wirklichkeit, und es kehrt wieder Stille ein.

Fritz wird schnell klar, dass er auch in den ruhigen Nächten nicht der Einzige ist, der wach ist. Viele Häuser verbreiten die Stille der Schlafenden, doch hinter so manchen verschlossenen Türen und verrammelten Fenstern hört man leise Gespräche, klirrende Gläser, Stühle, die verrückt werden. Er geht davon aus, dass hier heimliche Zusammenkünfte stattfinden, stellt sich illegale Schenken vor, vielleicht Opiumhöhlen, in denen Kriegsversehrte ein paar Stunden lang vergessen wollen. Diese Häuser mit den murmelnden Stimmen ziehen ihn an, gern würde er selbst Zutritt zu einem haben, weiß aber nicht, wie er es anstellen soll.

Eines Nachts streift er durch eine der vornehmen Straßen des ersten Arrondissements, als sich plötzlich in der ersten Etage eines finsteren Wohnhauses ein erleuchtetes Fenster öffnet. Eine kleine Hand stößt die Läden aus massivem Holz auf, und der Ausschnitt einer fremden Welt erstrahlt. Staunend erblickt Fritz ein großes Bett mit hohen, geschnitzten Pfosten aus poliertem Tropenholz. Das Möbelstück ist über und über mit seidenen Kissen und Laken bedeckt, die Stoffe mit kunstvollen Blüten bestickt. Über dem Bett hängen ein großer Fächer und ein weit geöffneter Sonnenschirm. Daneben eine Stehleuchte, über die ein rotes Tuch geworfen wurde, weshalb der gesamte Raum in rotes Licht getaucht ist. Vor einem hohen Paravent steht eine glänzend lackierte Truhe, darauf mehrere silberne Vasen. Jetzt erscheint eine Gestalt am Fenster, eine junge Frau, die einen zierlichen Käfig in der Hand hält. Darin flattert ein laut piepsender Kanarienvogel unruhig umher. Hastig öffnet sie den Käfig, um das Tier, das offenbar nur darauf gewartet hat, in die warme Nachtluft zu entlassen. Sie stellt den Käfig zu ihren Füßen ab und beeilt sich, die Fensterläden wieder zu schließen. Der kleine gelbe Vogel ist bereits verschwunden. Als sie sich aufrichtet,



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